ESL, gamescom, BIG, esports-Institut – die deutsche esports-Branche schreibt immer mehr Erfolgsgeschichten. Eine Bestandsaufnahme.
Was muss passieren, damit über 15.000 Menschen bei bestem Sommerwetter ihr ganzes Wochenende in einer dunklen Halle verbringen? Ganz einfach: Die besten Counter Strike:Global Offensive-Spieler der Welt treffen sich zur ESL One Cologne – dem esports-Mega-Event des Jahres. Jedes normalen Jahres zumindest … 2020 ist auch im esports alles anders: Die siebte ESL One Cologne vom 18. bis zum 30. August wird nur online stattfinden. Die Teams mit ihren Stars bleiben in ihren Gaming-Häusern. Für die Fans ist die Action nur auf dem Bildschirm sichtbar. Keine Autogramme, keine Schlachtrufe, keine Pyrotechnik. „Ich würde sehr gerne in der Kölner Lanxess Arena spielen. Du fühlst dich wie ein Gladiator im alten Rom, wenn du die Halle betrittst“, beschreibt Fatih “gob b” Dayik, Leiter des CS:GO-Teams von Berlin International Gaming (BIG), im Interview mit betway Sportwetten. „Ich empfehle jedem, der mit esports noch nicht so viel zu tun hat, sich das einmal anzusehen, wenn die Events wieder stattfinden. Die Security in der Kölner Arena hat mir bestätigt, dass die Atmosphäre krasser ist als auf einem Justin Bieber Konzert. Die Begeisterung ist riesig.“
Wachstumsmarkt esports
Von einem Nischenphänomen kann man beim kompetitiven Kampf an der Konsole längst nicht mehr sprechen. In Nicht-Krisen-Zeiten jubeln in Köln und auf unzähligen anderen esports-Events in aller Welt Zehntausende Fans ihren Favoriten zu. Die Live-Übertragungen auf zahlreichen Streaming-Plattformen wie Twitch oder YouTube werden von Millionen Zuschauern gesehen – im Jahr 2019 waren es insgesamt 12,3 Millionen Stunden und damit mehr als doppelt so lange wie noch im Jahr 2018! Für seinen Erfolg bei der mit 300.000 US-Dollar dotierten ESL One Cologne strich das Team Liquid im vergangenen Jahr 125.000 US-Dollar ein. Finalgegner Vitality nahm noch 50.000 Dollar mit nach Hause. Mit dem Sieg holte sich Liquid zudem den Grand Slam, also vier Siege bei den letzten zehn aufeinanderfolgenden Mega-Events, und damit zusätzlich eine Million Dollar Preisgeld.
Esports in Deutschland
In diesem aufstrebenden Segment hat sich Köln in den vergangenen Jahren zur Hauptstadt des esports-Standorts Deutschland entwickelt. Nicht nur die üblicherweise ausverkaufte ESL One und die weltweit größte Videospielmesse gamescom finden jährlich im August in der Domstadt statt. Auch residiert die Deutschlandzentrale des Spieleentwicklers Electronic Arts am Rhein. Mit ihrer Fußballsimulation FIFA organisiert EA Sports die virtuelle Bundesliga – unter anderem zusammen mit DFL Digital Sports, der ebenfalls in Köln beheimateten Digitalsparte der Deutschen Fußball Liga. {QUOTE}Und nicht zuletzt befindet sich der Hauptsitz des deutschen esports-Veranstalters ESL in Köln. „Die Leidtragenden der momentanen Situation sind die Fans“, sagt Christoph Kohlhaas, Produktmanager Deutschland bei ESL. Die Turniere und Ligen der ESL konnten relativ schnell auf reine online Events umgestellt werden – auch wenn es durch verschiedene Zeitzonen, Latenzen bei der Datenübertragung und unterschiedliche Bandbreiten zu kleineren Problemen kam. Aus diesem Grund wird die ESL One Cologne 2020 auch erstmals in verschiedene Kontinent-Gruppen unterteilt. „Die Kalender der Teams waren aber weiter gut gefüllt mit Spielen“, sagt Kohlhaas. „Manche Teams haben sogar davon profitiert und online besser performt als live – kein Publikum, gewohnte Umgebung zu Hause und eigenes Equipment und Setup.“
Aushängeschild BIG
Die Situation für sich genutzt haben definitiv BIG. Die aktuell beste deutsche Mannschaft ist besonders in CS:GO in diesem Jahr extrem erfolgreich und konnte sich durch mehrere Turniersiege an die Spitze von zwei verschiedenen Rankings spielen. „Die unglaubliche Menge an Arbeit, die wir in den letzten Monaten geleistet haben, hat sich massiv ausgezahlt, und ich bin wirklich glücklich über die Fortschritte, die wir als Team gemacht haben“, so BIG-Kapitän Johannes “tabseN” Wodarz im Gespräch mit betway Sportwetten. Dass die Berliner als Mitfavoriten auf den Sieg bei der ESL One gelten, liegt auch an den professionellen Strukturen, die der Clan inzwischen aufgebaut hat. Die Spieler leben zusammen als WG in einem sogenannten Gaming-Haus, trainieren am Computer, machen Fitness und leben das Leben von Profi-Sportlern in Vereinen. „Wir haben vier bis fünf Trainingsspiele pro Tag mit anschließender Nachbesprechung. Abends machen wir dann meisten Sport, um den Kopf frei zu kriegen. Denn zehn Stunden am Rechner zu sitzen, ist mental sehr anstrengend. Da braucht es einen körperlichen Ausgleich“, berichtet Fatih “gob b” Dayik. In einer sehr international aufgestellten Branche haben sich BIG als deutsche Hoffnung etabliert. „Früher war man im esports meist Fan eines bestimmten Spielers. Das ändert sich gerade etwas und die Fans sind auch einer Organisation treu. Ganz ähnlich wie im Fußball, wo man ja auch Fan von Dortmund ist, egal wer da gerade auf dem Platz steht“, so „gob b“.
BIG investiert viel für diesen Erfolg – und muss es auch, denn im globalen Vergleich hängt Europa dem asiatischen Markt noch weit hinterher. „Wir sind noch Jahre hinter Asien zurück. In Südkorea gibt es nationale Ligen, die auch gesellschaftlich einen sehr hohen Stellenwert haben. Die Spiele werden im TV übertragen, die Stars kennt jedes Kind“, so Chtistoph Kohlhaas.“ Bis dahin habe die deutsche esports-Branche noch einen weiten Weg vor sich. „Deshalb bedarf es einer Professionalisierung auf allen Ebenen“, fordert der ESL-Manager. BIG geht hier mit gutem Beispiel voran und fördert den esports-Nachwuchs in einer eigenen Academy.
esports als Arbeitgeber
Dass das Potenzial in Deutschland durchaus vorhanden ist, zeigen die Zahlen des Verbands “game”: Über 200 Millionen esports-Enthusiasten sind in der Szene aktiv. Weitere 250 Millionen Menschen interessieren sich zumindest gelegentlich für Videospiele. Studien prognostizieren dem esports-Markt eine jährliche Wachstumsrate von 36 Prozent. Für 2023 wird ein weltweiter Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro erwartet, davon rund 144 Millionen Euro in Deutschland. Die Branche zählt laut dem Verband aktuell 27.854 direkt und indirekt Beschäftigte. Sie hat sich längst auch als attraktives Arbeitsfeld für Berufseinsteiger etabliert. Der Ausbildungskompass Games informiert über die vielfältigen Berufsbilder und die verschiedenen Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten. Zu den wichtigsten Berufsfeldern im Bereich Games-Entwicklung zählen die Game-Designer, Programmierer, Grafiker oder Producer. Aber auch Marketing- und Kommunikationsexperten sind gefragt sowie Fachleute für Medien. Viele private oder auch staatliche Bildungseinrichtungen bieten inzwischen spezifisch auf die Games-Branche zugeschnittene Studiengänge und Abschlüsse an – so wie die Hochschule für angewandtes Management (HAM) in München, die den weltweit größten Bachelorstudiengang im digitalen Sport steuert. „Esports hat von seiner Bedeutung Sportarten wie Basketball oder Handball eingeholt“, sagt Tobias Benz, Direktor des Instituts für esports der HAM gegenüber betway Sportwetten. Die 2019 gegründete Bildungseinrichtung will ein Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis werden und so der Szene helfen, die notwendigen Strukturen aufzubauen. Benz: „Dazu braucht der Markt professionell ausgebildete Fachkräfte, die dieses junge Ökosystem mitgestalten, ähnlich strukturiert wie beim klassischen Sport.“
Anerkennung und Forschung
Auch die Deutsche Sporthochschule Köln widmet sich esports als neuem Forschungsfeld. Am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation untersuchen Leiter Prof. Dr. Ingo Froböse und sein esports-Team das Phänomen aus sportwissenschaftlicher Sicht, die aktuellen Ergebnisse werden unter www.esportwissen.de präsentiert. Laut Froböse sind die hohen motorischen Ansprüche von esports „anderen Sportarten mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen“. So liegt der Cortisol-Spiegel professioneller Spieler während eines Matches ungefähr auf dem Niveau von Rennfahrern. Und die Herzfrequenz von 160 bis 180 Schlägen pro Minute entspricht fast dem Puls eines Marathonläufers – und das über Stunden. Neben den physischen Anstrengungen entscheiden insbesondere die psychischen Anforderungen und mentalen Aspekte über Sieg oder Niederlage. Hierzu zählen zum Beispiel kurze Reaktionszeiten, Feinmotorik, Konzentrationsfähigkeit, Antizipation oder der Umgang mit hohem Erwartungsdruck. Dies alles wird am Kölner Institut in einem esports-Leistungstest untersucht. Die Studienergebnisse sollen die Basis für die Entwicklung gezielter Trainingskonzepte liefern, die an den klassischen Sport angelehnt sind. Ziel ist es, neben der Spielstärke auch die Gesundheit von Esportlern aller Leistungsstufen zu verbessern.
Welchen mentalen und körperlichen Belastungen die esports-Profis ausgesetzt sind, kennt „gob b“ aus eigener Erfahrung nur zu gut, aber: „Die Anstrengung ist vergessen, wenn 15.000 Menschen deinen Namen rufen. Das spürt man sogar mit perfekten Noise-Cancelling-Kopfhörern.“ Vielleicht hilft die Erinnerung daran ja auch bei der Online-Variante der ESL One Cologne 2020 – und 2021 dann hoffentlich wieder vor einem enthusiastischen Live-Publikum.
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